Sonntag, 17. Februar 2013

Rückblick auf KW 7/2013


Was war das wieder für eine Woche. Über dem russischen Ural explodiert ein Meteorit und zwischen Satelliten und Erde schlüpft der Asteroid 2012 DA 14 hindurch. Der Papst kündigt seinen Rücktritt an und als Rinder verkleidete Pferde galoppieren durch die Lasagne.

Auf die zurückgetretene Exministerin, Exdoktorin und Exfreundin Anette Schavan folgt nun also Johanna Wanka, die zuvor das Wissenschaftsressort in Brandenburg und Niedersachsen belegt hatte. Hoffentlich ist ihre Dissertation „Lösung von Kontakt- und Steuerproblemen mit potentialtheoretischen Mitteln“ schon überprüft worden. Frau Dr. Wanka hat bei ihrer Vereidigung erklärt, sie wolle das Amt so weiterführen, wie ihre Vorgängerin das getan hat. Das finde ich mutig. In diesem Kabinett sitzen einige Minister, die sich vor allem durch absolute Untätigkeit auszeichnen, aber mit Ankündigung hat das noch niemand gewagt. Alle Achtung!

Eine ganz andere Ankündigung hat in dieser Woche für Schlagzeilen gesorgt und die sozialen Netzwerke verstopft. Wir sind bald nicht mehr Papst. Benedikt XVI. tritt zurück. Das hat es bisher so gut wie nie gegeben. In übler Erinnerung sind mir noch die letzten Jahre seines Vorgängers. Eigentlich war der Mann schon lange tot. Sie haben ihn nur nicht umfallen lassen. Mit Würde hatte das nicht mehr viel zu tun. Nun also ein Rücktritt vom heiligen Stuhl. Auch nach seinem Rücktritt bleibt er wohl Papst und auch unfehlbar. Was für ein Dilemma kommt da auf die Katholiken zu, wenn Benedikt XVI. einmal anderer Meinung sein sollte, als sein Nachfolger. Zwei unfehlbare Ansichten, die sich widersprechen. Das dürfte einen unlösbaren Konflikt darstellen. Hoffentlich erleben wir das noch.

Die Lebensmittelindustrie hat uns wieder einmal mit einem Zaubertrick verblüfft. Dass es ihr gelingt, allerlei übelriechende Chemikalien in naturidentische Aromastoffe zu verwandeln, haben wir ja inzwischen geschluckt. Aber die Zauberei, rumänisches Pferdefleisch, das von einem holländischen an einen zypriotischen Händler verkauft wird, in französisches Rinderhack zu verwandeln, das in Luxemburg zu original italienischen Pastagerichten verarbeitet wird, um in Frankreich, England, Deutschland und in 10 anderen europäischen Ländern auf den Tellern zu landen, ist schon erstaunlich. Chapeau! Das ist Globalisierung mit Unterhaltungswert.

Wolfgang Franz, seines Zeichens Vorsitzender des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, also Deutschlands oberster Wirtschaftsweiser hat eine erneute Anhebung des Renteneintrittsalters vorgeschlagen. Dass bereits die letzte Anhebung faktisch lediglich eine Rentenkürzung darstellte, ist ihm natürlich bewusst. Unnötig zu erwähnen, dass er auf Vorschlag der Arbeitgeberverbände im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sitzt. Nach dem Gesetz über die Bildung des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung soll der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung keine Empfehlungen für bestimmte wirtschafts- und sozialpolitische
Maßnahmen aussprechen. Das hindert den Vorsitzenden des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung natürlich nicht daran, als Privatperson entsprechende Empfehlungen auszusprechen. Diese Privatperson Wolfgang Franz hatte nun die Idee, das Renteneintrittsalter mit einer Formel mit der Lebenserwartung zu verknüpfen. Pro anderthalb Jahre zusätzlicher Lebenserwartung sollte das Renteneintrittsalter um ein Jahr steigen. Damit löst er das Problem doch gar nicht wirklich. Umgekehrt würde das funktionieren. Angenommen, die Menschen würden tatsächlich im Durchschnitt länger arbeiten, dann würde das Verhältnis von Arbeitenden zu Rentenempfängern perspektivisch betrachtet sukzessive verbessert, wenn das Renteneintrittsalter im Verhältnis 1:1,5 zur durchschnittlichen Lebenserwartung steigen würde. Irgendwann würden dann allerdings die Menschen länger arbeiten müssen als sie leben. Das dürfte ganz neue Probleme verursachen. Arbeitgeber sähen sich nicht mehr nur der Forderung nach betrieblichen Kitas ausgesetzt, sondern zunehmend auch betrieblicher Pflegeeinrichtungen. Ambulante Pflege würde nicht mehr als häusliche Pflege bezeichnet werden. Vielmehr müssten Pflegekräfte ihre Klientel auf deren Arbeitsstellen begleiten. Neben jedem Schornsteinfeger müsste auch ein Altenpfleger oder eine Altenpflegerin mit aufs Dach klettern. An der Supermarktkasse sitzen Kassiererin und Pflegekraft nebeneinander und im Operationssaal tupft eine OP-Assistentin dem Chefarzt den Schweiß von der Stirn während sein Pfleger ihm die Windel wechselt. Dazu kommen dann noch die Pflegekräfte der Pflegekräfte. Wolfgang Franz wird das nicht kümmern. Er geht Ende Februar 2013 in den Ruhestand - mit 69 Jahren.

Kaum zu glauben, aber wahr: Bundesumweltminister Altmaier und Bundeswirtschaftsminister Rösler haben sich auf einen Kompromiss zur Strompreisbegrenzung geeinigt. Zuvor hatten sie sich eine Auseinandersetzung geliefert, dass man sich fragen musste, wer in diesem Land eigentlich die Opposition ist. Rösler und Altmaier wollen nun den Strompreisanstieg begrenzen, indem sie die Vergütung für neue Ökostromanlagen reduzieren und die Betreiber von neuen größeren Anlagen zur direkten Vermarktung ihres Stroms zwingen wollen. Altmaier betont, dass es der Regierung nicht darum gehe, die Produktion erneuerbarer Energie einzuschränken, sondern lediglich um eine Preisbegrenzung. Die Regierung will nicht weniger erneuerbare Energie, ihre Politik hat nur leider diese unerwünschte Nebenwirkung. Was soll man da machen?

Das war eine aufregende Woche. Die kommende kann das sicher nicht toppen. Warten wir es ab.

Sonntag, 27. Januar 2013

Ein #Aufschrei geht durch das Netz


Das ist schon eine bemerkenswerte Entwicklung. Ein Spitzenpolitiker wird einer unfeinen Handlung bezichtigt und die politische Klasse verurteilt die Bezichtigerin. Das neue FDP-Aushängeschild Rainer Brüderle soll nachts in einer Hotelbar eine junge Journalistin sexuell bedrängt haben. Konkret geht es um unangebrachte Bemerkungen und eindeutige Avancen. Außerdem soll er eine angemessene körperliche Distanz unterschritten haben. In den Reaktionen der offiziellen Politik wird er nicht als greiser geiler Bock gegeißelt. Immerhin traut man sich inzwischen auch nicht mehr, ihn deshalb unverhohlen als tollen Hecht zu loben. Das macht man heutzutage eher zwischen den Zeilen oder im Hinterzimmer. Stattdessen wird kritisiert, dass bereits die Anwesenheit der Journalistin nachts in der Hotelbar zusammen mit Politikern unangebracht sei. Auch dass sie erst nach etwa einem Jahr darüber schreibt, wird natürlich als Indiz angesehen, dass es sich hier um eine gezielte Rufmord-Kampagne gegen Brüderle handelt. Erstaunlich ist, dass die etablierten Medien unisono den selben Tenor schmettern. Differenziertere Betrachtungen finden sich zunächst ausschließlich im Internet. Insbesondere auf Twitter findet unter dem Hashtag #aufschrei eine lebhafte Debatte statt. Außerdem berichten viele Frauen von ähnlichen Erlebnissen, über die sie bisher nicht berichtet haben. Als Reaktion darauf fangen nun auch die Etablierten damit an, das Ganze weniger einseitig zu bewerten.

Nun, die ursprüngliche Bewertung hat sicher in erheblichem Maße mit Rollenklischees zu tun, die wir in unserer fortschrittlichen Gesellschaft noch immer nicht überwunden haben. Zum Beweis betrachten wir den Vorfall doch einmal hypothetisch mit umgekehrten Vorzeichen. Der redliche Politiker und treue Ehemann Rainer Brüderle sitzt im zarten Alter von 67 Jahren mit einer jungen und leicht gereontophil veranlagten Journalistin in der Hotelbar. Dazu bedarf es zugegebenermaßen eines gehörigen Maßes Fantasie. Er möchte seine politischen Überzeugungen und Ziele erörtern, während sie niedere Ziele verfolgt. Zunächst lässt sie mit Blick auf sein Gesäß eine anzügliche Bemerkung fallen: „Sie können aber auch eine Lederhose füllen.“ Das könnte man angesichts seines Alters zwar missverstehen aber gemeint ist nicht etwa ein Pflegeproblem, sondern seine physische Ausstattung. Natürlich erfordert auch diese Vorstellung wieder viel Fantasie, aber es ist ja nur eine Parabel. Als nächstes nähert sich die junge Frau dem Unschuldigen und deutet vage eindeutige Angebote an. In höchster Not rettet die Assistentin den Politiker, indem sie ihn darauf hinweist, dass es Zeit sei, schlafen zu gehen. Wie sähe nun die Bewertung dieses Vorfalls aus? Zunächst würde die Frau ohne Zweifel als moralisch verwahrlost eingestuft. Dem Politiker würde man die Opferrolle nicht im Mindesten absprechen. Die Rollenverteilung Täter(in) und Opfer wäre für alle klar. Allerdings hätten wir davon nie in der Presse gelesen und auf Twitter hätte der Hastag vermutlich #weichei gehießen.